Eine bemerkenswerte Auswirkung der Krise auf den Finanzmarkt ist, dass russische Vermögenswerte kaum noch investierbar sind. Die Moskauer Börse wurde geschlossen und der Rubel erfuhr eine starke Abwertung. Die Aktienmärkte, vor allem in Europa, waren durch einen Anstieg der Volatilität gekennzeichnet und die Energiepreise standen unter Aufwärtsdruck. Wir erleben einen sprunghaften Anstieg sowohl der Öl- als auch der Gaspreise. Mit der Verschärfung des Konflikts wird der Ölpreis aller Voraussicht nach weiter unter Druck bleiben. Die USA beschlossen ein Importverbot gegen russisches Öl bzw. Gas und suchen neue Anbieter. Die Rohstoffpreise sind stark gestiegen, insbesondere bei solchen Rohstoffen, für die Russland ein wichtiger Exporteur ist, wie Aluminium und Weizen.
Die Folgen für Europa sind weitreichender als für die USA. Russland ist der fünftwichtigste Handelspartner der EU und macht 5% des EU-Handels aus, während das Land für die USA mit 1% des US-Handels nur an 30. Stelle steht. Außerdem profitieren die USA davon, dass sie vergleichsweise energieunabhängig sind. Rohstoffe sollten in dieser Hinsicht eine besonders wichtige Rolle spielen.
● Öl: Die russischen Ausfuhren nach Europa belaufen sich auf etwa 4 Mio. Barrel/Tag (etwa die Hälfte der Gesamtausfuhren, während die Gesamtproduktion etwa 10 Mio. Barrel/Tag beträgt). Zum Vergleich: Das entspricht fast 30% des europäischen Ölverbrauchs. Diese Menge wird in naher Zukunft kaum durch die OPEC ersetzt werden können. Abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen gibt es heute eine allgemeine Zurückhaltung beim Kauf von russischem Öl und die weltweite Verknappung und der Preisdruck dürften in nächster Zeit anhalten.
● Getreide: Die Ukraine ist für Europa von großer Bedeutung. Die Einfuhren von Mais aber auch von anderen Gemüsesorten sind erheblich. Der Wert der europäischen Agrarimporte aus der Ukraine entspricht fast der Hälfte des Wertes der Öleinfuhren aus Russland, gerechnet in US-Dollar.
● Palladium: Hier ergibt sich ein komplexes Bild. Die russischen Ausfuhren werden auf 6,5 Mrd. US-Dollar (1/4 des weltweiten Gesamtvolumens) geschätzt, davon erfolgen Lieferungen im Wert von 3 Mrd. US-Dollar nach Europa. Die Abhängigkeit Europas von russischen Palladium-Exporten ist also enorm.
● Erdgas: Europa importiert 40% seines Gases aus Russland. Aus unseren Simulationen zum Klimawandel wissen wir, dass es angeraten ist, Kohle durch Gas zu ersetzen, was die Nachfrage nach Letzterem ankurbelt. Das Umfeld für 2023 und 2024 dürfte noch schwieriger sein, wenn man bedenkt, welche Gesamtmenge Europa benötigt, um den Bedarf für die nächsten Winter zu decken.
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Europa muss sich rasch auf die energetische Unabhängigkeit, eine gemeinsame Verteidigung und das steigende kurzfristige Wirtschaftsrisiko konzentrieren. Im Mittelpunkt der europäischen Agenda sollte die Notwendigkeit stehen, Russland bei den Öl- und Gasimporten durch neue Handelspartner zu ersetzen und die Energiewende zu beschleunigen, ohne weiteren Inflationsdruck zu verursachen. Dadurch dürfte auch der europäische Rahmen gestärkt werden. Beispielsweise wird Deutschland zwei LNG-Terminals (Flüssiggas) bauen, um seine Energieabhängigkeit von Russland zu überwinden. Und die UN hat für März eine außerordentliche Anleiheemission angekündigt, um den Mitgliedstaaten Darlehen zu gewähren und Gaspreisschwankungen abzufedern.
Pessimistisches Szenario: 30%
Erneuter Einbruch in Richtung Stagflation
Ein lang anhaltender Krieg in der Ukraine beeinträchtigt das Vertrauen und die Wirtschaftstätigkeit, treibt die Rohstoff- und Energiepreise langfristig in die Höhe und unterbricht die Versorgungsketten
Zentrales Szenario: 60%
Holpriger Weg, regionale Divergenzen
Der Krieg in der Ukraine beeinträchtigt das Vertrauen und treibt die Rohstoff- und Energiepreise vorübergehend in die Höhe.
Optimistisches Szenario: 10%
Integratives und nachhaltiges Wachstum
Der Krieg in der Ukraine endet schnell und die Beeinträchtigung des Energie- und Rohstoffmarktes ist begrenzt.
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